weltverbesserer Leben Ein Neuanfang erfordert Mut und sollte wohlbedacht sein

Ein Neuanfang erfordert Mut und sollte wohlbedacht sein

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Unzufriedenheit und Krisen wie die Corona-Pandemie stehen oft am Beginn eines Neuanfangs. Wer sich gemütlich in seinem Leben eingerichtet hat und im Großen und Ganzen zufrieden ist, hat dagegen selten den Drang sein Leben zu verändern. Wir haben Diplom-Psychologin und Coachin Angelika Gulder gefragt, was in Krisen hilft und was man tun kann, wenn man einen Neuanfang wagen will.

„Lebe ich wirklich das Leben, was ich mir mal erträumt habe?“ Krisen oder Schicksalsschläge führen häufig dazu, dass man sich diese Frage irgendwann in seinem Leben stellt. Viele kommen dann an einen Punkt, an dem sie am liebsten alles hinwerfen möchten, sich aber nicht trauen. Einerseits weil sie nicht wissen, wie sie es anpacken sollen, andererseits weil sie nicht wissen, was danach kommt.

Unzufriedenheit kann jedoch ein guter Motor sein, um sich mutig den wichtigen Fragen des Lebens zu stellen und damit eine Veränderung in Gang zu setzen, die einen am Ende glücklicher macht. Wir haben mit Angelika Gulder, Diplom-Psychologin, Bestseller-Autorin und ganzheitlicher Coachin über den Weg zum Glück, die Suche nach dem Traumjob und Möglichkeiten für einen Neustart gesprochen.

Frau Gulder, führen Krisen wie Corona dazu, dass mehr Menschen sich mit dem Sinn ihres Lebens auseinandersetzen?

Die Antwort lautet ganz klar: Ja! Jede persönliche Krise, und Corona ist ja eine kollektive und persönliche Krise, sorgt dafür, dass Menschen ihr Leben hinterfragen. Dazu gehören nicht nur der Beruf, sondern auch die privaten Themen. In diesem Gesamtzusammenhang taucht in solchen Krisen auch immer die Frage nach dem Sinn des Lebens auf.

Grundsätzlich stellen wir uns diese Frage drei bis viermal im Laufe unseres Lebens. Das erste Mal bei der Berufsorientierung, das zweite Mal meistens, wenn wir eine gewisse Zeit gearbeitet haben und zum dritten Mal häufig in der Mitte unseres Lebens. Die Corona-Krise ist jetzt quasi eine externe Midlife-Crisis, die dazu führt, dass man sich fragt „Warum mache ich das eigentlich alles?“ und „Was ist der Sinn dahinter?“

Frau hält sich Luftballon mit Smiley-Motiv vor das Gesicht
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Ihr Buch heißt „Finde den Job, der dich glücklich macht“. Gibt es eine Glücksformel für den Job?

Im Buch stelle ich eine Methode, den Karriere-Navigator vor, um das herauszufinden. Doch zu finden, was einen glücklich macht, ist ja nicht dasselbe wie es auch zu leben. Es wäre natürlich schön, eine Art Formel zu haben, die für immer funktioniert. Meiner Erfahrung nach ist es beim Job wie beim Leben so: Auch wenn ich den richtigen Job habe, oder das Leben lebe, was ich möchte, muss ich immer wieder überprüfen, ob ich wirklich glücklich bin.

Denn auch wenn der Job grundsätzlich Spaß macht, kann es immer wieder sein, dass man an einen Punkt gerät, an dem man merkt: Ich muss jetzt etwas verändern. Viele Menschen übersehen oder übergehen diesen Punkt und decken das mit etwas anderem zu. Aber früher oder später kann man im schönsten Job unzufrieden werden, weil man sich weiterentwickelt hat und für einen selbst inzwischen etwas ganz anderes wichtiger geworden ist.

Viele Menschen geraten im Laufe ihres Lebens in eine Art Sinnkrise und überlegen, den Job zu wechseln oder ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Ist das immer nötig?

Nein, überhaupt nicht. Es gibt ja Menschen, die sind den richtigen Weg gegangen, es wäre ja unsinnig das einfach so über Bord zu werfen. Was ich viel wichtiger finde, ist, regelmäßig zu reflektieren. Ob jährlich zum Jahreswechsel oder zum Geburtstag, jeder sollte sich immer wieder folgende Frage stellen: Bin ich in meinem Leben eigentlich noch auf dem richtigen Weg? Dazu gehört natürlich der Job, dazu gehört die Partnerschaft, dazu gehören Hobbys oder der Freundeskreis. Sprich, ein regelmäßiger Kassensturz, den finde ich ganz wichtig. Und was da ganz gut funktioniert, ist im Job wie im Leben die „Skalen-Frage“. Die kann man sich ganz einfach selber stellen.

Man überprüft für die verschiedenen Lebensbereiche auf einer Skala von 01 (ganz schlecht) bis 10 (ganz toll) die eigene Zufriedenheit. Hier helfen Fragen wie: „Wo auf der Skala ordne ich die verschiedenen Lebensbereiche aktuell ein?“, „Wie zufrieden bin ich mit der Situation?“ und „wie erfüllt bin ich in den verschiedenen Bereichen gerade?“ Und wenn der Job oder auch die anderen Bereiche längere Zeit unter eine Sieben fallen, dann ist es wichtig, etwas zu verändern.

Orangefarbener Rettungsring, der an einem Seil an einer Wand hängt
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Was kann man tun, wenn man das Gefühl hat, der Beruf passt eigentlich gar nicht zu mir?

Das Wichtigste ist erst mal, sich klarzumachen, woran es liegt, dass man denkt, „der Job passt nicht zu mir“. Liegt es am Inhalt der Tätigkeit, sind es die Rahmenbedingungen, also die Kolleg:innen, die Chef:innen oder sind es die Räumlichkeiten oder die Anfahrt, die einem eigentlich zu lang ist.

Wenn man das herausgefunden hat, dann kann man versuchen diese Dinge zu verändern. Manchmal kann man die Rahmenbedingungen verändern, manchmal lässt sich auch die innere Einstellung ändern. Wenn das alles nicht funktioniert, dann ist es allerdings wirklich sinnvoll, sich neu zu orientieren.

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Wie erleben Sie die Menschen, die zu Ihnen kommen, um ihre wahre Berufung zu finden?

Insgesamt waren es mehr als 2.000 Menschen, die ich als Coachin auf dem Weg begleitet habe. Und sehr unterschiedliche Menschen, da jede:r eine individuelle Biografie mitbringt. Wenn ich es aber mal grob einteilen müsste, würde ich sagen, es gibt zwei Gruppen. Einmal die Menschen, die in ihrer Job-Situation unglücklich sind und da wegwollen, aber nicht wissen, wie es geht. Die anderen sind eigentlich ganz zufrieden, suchen aber nach einem neuen Job, der sie noch mehr erfüllt. Also haben wir einmal die „weg-von“-Gruppe und einmal die „hin-zu“-Gruppe.

Je nach Motivation, sind manche Menschen sehr offen und mutig und finden einen neuen Weg, den sie dann auch gehen. Und es gibt Leute, die merken, dass es eine Möglichkeit gibt, sich dann aber nicht heranwagen. Diese Menschen sind oft doppelt so unglücklich, weil sie wissen, was sie machen „müssten“, sich aber schlichtweg nicht trauen.

Stromkasten auf einem Gehsteig, der mit dem Satz be the change besprüht ist
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Würden Sie jedem empfehlen den Job zu wechseln, wenn man unglücklich ist?

Es ist es nicht so, dass jeder zwangsweise den Job wechseln muss. Aber wenn man wirklich glücklicher und zufriedener leben will, sollte man genau hinschauen, wie es einem geht und was man braucht, um ein erfülltes Leben zu führen. Der alte Spruch „love it, change it oder leave it“ stimmt hier immer noch.  Man sollte immer schauen, ob das, was man tut, einen noch erfüllt. Falls nicht, sollte man sich fragen, was man im Außen oder an sich selbst verändern kann. Und wenn das alles nicht geht oder hilft, dann muss man sich trauen, etwas zu verändern, sprich den Job auch mal zu wechseln.

Bei manchen geht das natürlich nicht so einfach. Gründe wie die Lebenssituation, das Alter oder andere Umstände führen dazu, dass man denkt, nicht einfach tun und lassen zu können, was einem gerade in den Sinn kommt. Dann sollte man aber unbedingt einen Ausgleich finden. Der Job sollte einem zumindest nicht schaden oder einen krank machen. Wenn man also einen „good-enough-Job“ hat, kann man das im privaten Bereich auch durch Hobbys oder ein Ehrenamt ausgleichen und hierüber die Erfüllung finden, die man im Beruf vergeblich sucht.

Ein weißer Kaffeebecher mit dem Wort Begin steht auf einem Holztisch
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Was sind ihre Tipps, wenn man nach einem Job mit Sinn sucht, aber nicht weiß, wie man anfangen soll?

Der „Sinn“ ist ja etwas sehr individuelles. Hier sollte die erste Frage lauten: „Was für ein Sinn soll es sein?“, „Soll es mich selbst glücklich machen oder soll es Sinn für die Welt bringen?“, oder „Will ich dort mitarbeiten und Teil von etwas sein, das die Welt verbessert?“ Das muss man für sich erst mal definieren. Dafür ist es erforderlich, sich selbst besser kennenzulernen.

Wenn man also einen Job sucht, der einem mehr Spaß macht, dann ist meine Empfehlung immer ein Blick zurück in die Kindheit. Hier schaut man, woran man früher besonders viel Freude hatte. Was waren die Talente und werden diese Talente heute auch gelebt? Auch der Blick darauf, was man für ein Kind war, beispielsweise ob man besonders abenteuerlustig, kreativ oder an der weiten Welt interessiert war, spielt hier eine große Rolle.

Lerne dich selbst besser kennen

Im nächsten Schritt schaut man dann, was heute daraus geworden ist. Also arbeitet man heute international oder ist man in einem kreativen Beruf gelandet? Ist das nicht so, sind die Menschen, die die Talente ihrer Kindheit nicht ausleben oft unglücklicher als diejenigen, die den Leidenschaften ihrer Kindheit gefolgt sind.

Und im Hier und Jetzt kann man schauen, was man am allerbesten kann und sich im Anschluss fragen, was von diesen Dingen man am Allerliebsten tut. Aus dieser Schnittmenge ergibt sich dann oft schon der Hinweis auf die Richtung, in der die Erfüllung liegt.

Am Ende ist das Finden der Berufung meist sehr einfach. Nur die Entscheidung, den Weg dann auch zu gehen und möglicherweise damit noch mal von vorne anzufangen ist eine Entscheidung, die Mut erfordert und wohlbedacht sein sollte. Denn am Ende verbringen wir nahezu die Hälfte unseres Lebens im Beruf. Gerade dann ist es doch unsinnig, beruflich nur Dienst nach Vorschrift zu machen und die Dinge, die man eigentlich liebt, nur im privaten Bereich zu machen. Und das Wichtigste: Für Träume ist es nie zu spät!

Vielen Dank für das Gespräch!

Angelika Gulder ist Diplom-Psychologin, Bestseller-Autorin und ganzheitliche Coachin. Seit vielen Jahren hilft sie als Expertin für Berufung und Lebensträume Menschen dabei ihren individuellen Weg zu finden. Neben Seminaren und Einzelcoachings gibt die Expertin ihr Wissen unter anderem in ihrem Buch „Finde den Job, der dich glücklich macht“ weiter.

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